WIR BESUCHEN Til Schweiger zu Hause in Berlin-Kreuzberg. Die großzügige Wohnung ist ebenso geschmackvoll wie gemütlich eingerichtet. Hohe Decken, riesige Sofas, viele Familienfotos. Kein Nippes. Der Hausherr bittet uns an den großen Esstisch in der offenen Küche. Die Zeit auf Mallorca, wo er noch vor ein paar Tagen relaxte, hat ihm gutgetan. Er sieht entspannt und gebräunt aus.
Til Schweiger zählt zu den erfolgreichsten Schauspielern, Regisseuren und Produzenten Deutschlands. Egal, ob nun „Keinohrhasen“ oder „Kokowääh“ – fast jeder Film, in dem der 55-Jährige mitwirkt oder Regie führt, wird zum Erfolg. Auch in internationalen Produktionen ist er zu sehen – etwa in Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“.
Doch ausgerechnet das für den internationalen Markt produzierte US-Remake seines bislang größten Regie-Hits, der Alzheimer-Tragikomödie „Honig im Kopf“ (2014), entpuppt sich Ende 2018 als „Tiefpunkt seiner Karriere“, wie Schweiger selbst sagt. „Head Full Of Honey“ wurde in den USA bereits nach einer Woche wieder abgesetzt. Jetzt startet der Film mit Nick Nolte und Matt Dillon auch in den deutschen Kinos.
Coca-Cola, Coca-Cola light oder Coke Zero Sugar?
„Light oder Zero. Normale Coke hat mir zu viel Zucker.“
Til, warum sollte man sich „Head Full Of Honey“ anschauen, wenn man das deutsche Original bereits kennt?
„Weil der Film eine gelungene Neu-Interpretation ist. Er hat zwar die gleiche Storyline und auch ähnliche Locations. Es gibt aber auch ganz neue Szenen, die Familiengeschichte ist noch ausführlicher beschrieben – vor allem der Konflikt zwischen den Eltern – und dann sind da noch die tollen Schauspielleistungen. Allen voran die von Nick Nolte.“

In den USA ist der Film im Dezember 2018 nach nur einer Woche wieder aus den Kinos verschwunden. Woran lag‘s?
„Die Idee war, „Head Full Of Honey“ so früh mit nur ganz wenigen Kopien zu starten, damit Nick Nolte noch die Chance hat, überhaupt in die Auswahl für den Golden Globe und den Oscar zu kommen. Ein sogenannter „Plattformstart“ ist in den USA durchaus so üblich. Der Film startete also in vier Kinos, zwei in New York und zwei in Los Angeles. Und das ganz ohne Werbung! Die meisten Menschen haben deshalb gar nicht mitbekommen, dass es den Film überhaupt gibt, weil der Verleih da kein Budget investiert hat. Der Kopienschnitt war dafür zwar ganz okay, aber für die Entscheider reichte das nicht aus, um ihn breiter laufen zu lassen. Viel schlimmer waren allerdings drei US-Kritiken, die einer Hinrichtung glichen. In denen wurde u.a. behauptet, dass wir uns über das Thema Alzheimer lustig machen würden. Totaler Bullshit! Jeder, der das Original gesehen hat, weiß das.“
Einen zweiten Versuch, den Film in den USA noch einmal zu starten, wird es also nicht geben?
„Wir versuchen das zwar, aber leider ist es so gut wie unmöglich. Denn in der Branche gilt er jetzt in den USA als verbrannt.“

Was geht da in dir als Regisseur und Macher vor?
„Es ist extrem bitter und tut sehr weh. Für mich und alle anderen Beteiligten. Zumal der Film insgesamt bei den US-Zuschauern super angekommen ist. Das habe ich zweimal selbst miterlebt. Für mich ist das auf jeden Fall eine der größten Enttäuschungen meiner Karriere. Aber ich will hier jetzt auch nicht lange rumheulen. Es ist passiert und Punkt. Wieder mal typisch war allerdings die Berichterstattung in vielen deutschen Medien.“
Inwiefern?
„Niemand hat wirklich die Zusammenhänge hinterfragt. Da sind viele lieber auf den Häme-Zug aufgesprungen und haben sich darüber gefreut, dass der Film so wenig Zuschauer hatte. Da wird dann das Box-office-Ergebnis von „Head Full Of Honey“, der wie gesagt nur in vier Kinos lief, ernsthaft mit einem Film verglichen, der mit 3.000 Kopien gestartet ist. In Sachen Häme sind die deutschen Journalisten oft ganz groß. Natürlich nicht alle, aber viele.“
Wie gehst du mit so einer Enttäuschung um?
„Ich gehöre nicht zu den Menschen, die alles still in sich hineinfressen und versuchen, den Frust mit sich selbst auszumachen. Ich treffe mich in solchen Momenten am liebsten mit meinen besten Freunden. Denen erzähle ich meine Sicht der Dinge, frage sie nach ihrer Meinung und lasse mich auch gerne mal von ihnen trösten. Und am Ende halte ich es so wie Rocky Balboa: Wenn du niedergeschlagen wirst, musst du wieder aufstehen! Und das mache ich dann ja auch.“
Nach dem ersten Frust nimmst du es also sportlich?
„Das ist immer das Beste, oder? Es gibt doch niemanden, der immer nur Erfolg hat. Selbst Steven Spielberg oder Jerry Bruckheimer haben schon mal ins Klo gegriffen. Und wenn du immer nur gewinnst, besteht die Gefahr, dass du irgendwann tatsächlich glaubst, unbesiegbar zu sein.
Hattest du nach Superhits wie „Keinohrhasen“ manchmal Sorgen, dass du abheben könntest?
„Bei mir war diese Gefahr nie gegeben. Dafür bin ich einfach zu bodenständig. Wenn ich nach Hause gekommen bin, dann habe ich meiner Familie nicht gesagt, dass sie mich jetzt anhimmeln soll. Das geht auch gar nicht mit kleinen Kindern. Für die bist du nämlich nur der Papa, der zu wenig Zeit für sie hat. Da kommst du gar nicht auf die Idee, auf dicke Hose zu machen. Mir fällt übrigens auch in den USA niemand ein, der wirklich abgehoben ist.“
Tatsächlich nicht?
„Nein, es gab und gibt in der Branche sicher viele, die ihre Machtposition missbraucht haben. Und da sind in meinen Augen auch noch gar nicht alle aufgeflogen… Ich sehe das Phänomen ehrlich gesagt eher in Deutschland: Da gab es immer wieder junge Schauspieler, bei denen ich zuerst dachte, dass sie richtig cool sind und den anderen auch etwas gönnen. Und sobald die dann ihren Durchbruch haben, hauen sie so richtig auf die Kacke. Die sagen dann: Jetzt ist meine Zeit, jetzt ist Payback-Time! Das habe ich schon oft erlebt.“

Bist du grundsätzlich offen für Kritik?
„Ich lasse mir immer sehr gerne Ratschläge geben und höre mir auch kritische Einwände an – solange sie konstruktiv bleiben und ich etwas mit ihnen anfangen kann. Manchmal rennt man mit Kritik bei mir sogar offene Türen ein, weil ich selbst schon gespürt habe, dass was nicht stimmt. Oft höre ich aber trotz Kritik auf meinen Instinkt und setze am Ende dann doch alles so um, wie ich will. Wenn es dann in die Hose geht, denke ich mir: Hättest du mal lieber doch auf die Ratschläge gehört…“ (lacht)
Planst du im Vorfeld alles dreimal durch oder bist du eher der spontane Macher?
„Ich bin ein sehr impulsgetriebener Mensch. Beruflich und privat. Mir sind im Leben schon Fehler passiert, die ich vielleicht hätte vermeiden können, wenn ich vorher etwas länger nachgedacht hätte.“
Kannst du ein konkretes Beispiel nennen?
„Ich muss meine Fehler ja jetzt nicht nach außen kehren. (grinst) Belassen wir es doch einfach dabei, dass ich schon oft Fehlentscheidungen getroffen habe. Aber das gehört zum Leben dazu. Wie jeder Vater gebe auch ich meinen Kindern gerne Ratschläge. Einer davon ist: Fehler machen ist völlig okay, solange du daraus lernst. Und wenn man Fehler begeht und dabei auch noch andere Leute verletzt, dann muss man in der Lage sein, sich dafür zu entschuldigen.“

Wie motivierst du dich nach Enttäuschungen neu?
„Die Motivation kommt von ganz alleine, weil ich meinen Beruf wahnsinnig liebe. Was soll ich nach einem Flop die ganze Zeit frustriert im Bett liegen? Da macht es mir doch viel mehr Spaß, etwas Neues zu schaffen. Ich habe einfach riesigen Bock auf das, was ich tue.“
Spornt dich eine Niederlage an?
„Es ist nicht so, dass ich mir dann sage: Jetzt zeige es euch allen mal und haue wieder einen Hit raus. So habe ich nie gedacht. Und das wäre auch Quatsch. Erfolge kannst du einfach nicht planen. Kurz bevor „Honig im Kopf“ ins Kino kam, hatte niemand gedacht, dass er mehr als eine Million Zuschauer erreicht. Und dann ist er mit mehr als sieben Millionen durch die Decke gegangen. Ich werde immer wieder von Kollegen nach meinem Erfolgsgeheimnis gefragt. Ich habe kein Geheimnis! Und wenn es wirklich ein Rezept gäbe, dann würde ich es wahrscheinlich auch nicht verraten…“
Gehst Du auch mal Risiken ein?
„Klar, vor allem als Produzent immer wieder. Es gibt doch viel zu viele Menschen, die aus lauter Angst davor, einen Fehler zu machen, lieber gar nichts im Leben wagen. Die werden dadurch niemals das Gefühl kennenlernen, wie es ist, mit Karacho zu scheitern. Sie werden aber auch nie das unglaubliche Gefühl des Triumphes spüren, sondern einfach nur höhepunktlos vor sich hin leben. Das Lustige ist: Es sind gerade diese Menschen, die sich dann am meisten darüber freuen, wenn jemand anderes scheitert. Daraus ziehen sie Freude und Befriedigung. Wenn sie damit happy sind, bitteschön! Ich habe meinen Kindern immer gesagt: Neid bringt euch gar nichts – außer negativer Energie! Solche Gefühle behindern euch nur auf eurem Weg. Aber das checken die meisten Menschen leider bis heute nicht.“
Was ist in deinen Augen deine wichtigste Aufgabe als Schauspieler und Regisseur?
„Ein Film muss in erster Linie unterhalten. Das kann auch ganz langsam geschehen – ohne Action oder Comedy, weil den Zuschauer einfach das Drama fesselt und er in den Film gesogen wird. Aber das Wort Unterhaltung ist in Deutschland negativ besetzt. Unterhaltung gilt hier als etwas Schlechtes. Ich verstehe nicht warum. Es ist doch toll, wenn man mit den Figuren mitfiebert, Angst um sie hat, sich mit ihnen freut oder mit ihnen leidet.“
Mit wem würdest du dich gerne mal auf eine Coke treffen?
„Auf jeden Fall mit Richard Branson. Für mich ist dieser Mann einer der faszinierendsten Visionäre und inspirierendsten Persönlichkeiten überhaupt.“
„Head Full Of Honey“ kommt am 21. März ins Kino.
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