Wer schon einmal versucht hat, zwei Stunden lang zu sitzen und konzentriert zuzuhören, weiß: Sinnvoll ist das nicht. Ein kurzer Spaziergang an der frischen Luft wirkt da Wunder. Das gilt für Erwachsene und mehr noch für Schulkinder. Und für die gibt es Muuvit.
„Muuvit ist ein Lern- und Bewegungsabenteuer,“ erklärt Juha
Villanen, einer der zwei Gründer von Muuvit. Darunter kann sich der Laie nun
alles und nichts vorstellen. Tatsächlich ist das Prinzip, wie Villanen
ausführt, ganz einfach: Schüler sitzen zu viel und bewegen sich zu wenig. Das
ist einerseits nicht gut für den Körper, der sich regelmäßig bewegen sollte,
und andererseits nicht gut für das Gehirn, das bei Bewegungs- und
Sauerstoffmangel diskret in den Streik tritt. Ändern soll das Muuvit. Das
Pogramm stammt aus Finnland, einem der Pisa-Spitzenländer. Zu seinen Fans
gehören inzwischen Schulen aus Deutschland, der Schweiz, den USA, der Ukraine,
Polen, Schweden, Italien sowie Kenia und Uruguay. 48.000 Schüler haben alleine
in Deutschland bisher an dem Programm teilgenommen
Muuvit: Wie funktioniert es?
Miles and More für
Schüler
Das Ziel ist also: Kinder sollen sich mehr bewegen, dabei Spaß haben und etwas lernen. Das funktioniert so: Lehrkräfte der Klassen Eins bis Sechs melden ihre Klasse kostenlos bei Muuvit an. Wenig später kommt per Post der Muuvit-Koffer. Enthalten sind Bewegungskarten für jeden Schüler, Elterninformationen, eine Weltkarte für die Klasse und Zugangscodes, damit die virtuelle Weltreise online begleitet werden kann. Der Ablauf ist ganz einfach: Jedes Kind schreibt täglich auf, wie lange es sich bewegt. Zehn Minuten Bewegung ergeben einen Punkt, ein Punkt entspricht einem Kilometer auf der Reisekarte. Miles and More für Kinder! Bewegung ist bei Muuvit weit gefasst. Es zählt nicht nur Schulsport, auch das Fußballtraining am Nachmittag, die Radtour mit den Eltern, der Schulweg oder der Hundespaziergang machen sich auf dem Kilometerkonto bemerkbar. Kein Wunder, dass die Kinder in der großen Pause nicht mehr in Kleingruppen rumhängen, sondern sich zum Kicken zusammentun. Wenn zehn Kinder zehn Minuten lang kicken, ergibt das schon zehn Punkte, also einen Schritt von zehn Kilometern auf der Landkarte.
Die Kinder sollen aber nicht nur kicken, sondern auch etwas
lernen. Was und wie legt die Lehrkraft fest. Muuvit gibt Anregungen, Lehrer und
Schüler sehen, was für sie passt. Wird Muuvit in den Englischunterricht
integriert, dann kommt bei der Bewegungsreise gerne die englische Sprachversion
zum Einsatz. Reist eine fünfte Klasse nach London, dann können dort von Muuvit
hinterlegte Bildungsinhalte zu Kultur, Gesundheitserziehung, europäischer Integration,
Sprachen oder Umweltbildung erarbeitet werden. Bei Erst- und Zweitklässlern
werden die Muuvit-Ideen meist mit Rechenspielen und Uhrlesenlernen verbunden.
„Die Kinder addieren jeden Tag ihre Punkte und lernen nebenbei, was eigentlich
zehn Minuten sind,“ erzählt Juha Villanen. Und was sagen die Lehrer dazu, wenn sie neben ihrem Lehrplan
auch noch Bewegungsspiele und Meilenrechnerei einbringen sollen? „Es bringt vor
allem unheimlich viel Spaß,“ erzählt die Lehrerin Annette Ruopp aus Hamburg. An
der Gyula Trebitsch Schule gehört
Muuvit für die Klassen Fünf und Sechs seit drei Jahren zum festen Bestandteil
des Schuljahresanfangs. Die Kinder gehen an bis zu 30 Tagen auf Punktejagd und
mit den gesammelten Punkten auf virtuelle Weltreise. Sie planen, organisieren,
rechnen ihre Kilometer zusammen, erfinden Bewegungsspiele, motivieren sich
gegenseitig und lernen sich kennen. „Zu Beginn der fünften Klasse bringt das
wahnsinnig viel. Die Kinder kommen alle an eine neue Schule und finden mit
Muuvit einen schönen Einstieg. Schon nach kurzer Zeit sind sie eine richtige
Klassengemeinschaft.“ Dass das die Kinder zusammenschweißt, ist ein positiver
Nebeneffekt, den Juha Villanen nicht einmal im Sinn hatte, als er Muuvit von
Finnland nach Deutschland brachte. „Finnland ist eine sehr homogene
Gesellschaft. In Deutschland bietet Muuvit großartige Möglichkeiten, Kinder mit
Migrationshintergrund zu integrieren.“ Annette Ruopp macht genau diese
Erfahrung immer wieder. „Wenn wir vor der Weltkarte stehen und die Kinder alle
erklären können, woher sie kommen und wie man dort lebt, dann ist das Thema
Migration für alle viel weniger abstrakt. Wenn Kinder mit türkischem
Hintergrund erklären, wie ihre Familien dort Feste feiern und was ihr
Lieblingsessen ist, bekommen sie von den Mitschülern einen ganz anderen
Respekt.“ Ehrensache, dass die Klasse sich als Reiseziel Istanbul wählt und
alles in Bewegung setzt, um dort – zumindest auf der Karte - auch hinzukommen.
Das ist dann der andere positive Nebeneffekt des Lern- und Bewegungsspiels.
Wenn es darum geht, mit der ganzen Klasse Punkte zu sammeln, werden auch die
Schüler zur Bewegung motiviert, die ihre Freizeit sonst nicht auf dem
Fußballplatz, sondern eher vor der Playstation verbringen. Muuvit-Video
aus Finnland:
Beispiel zum „bewegten“ Unterricht Und wie sieht es in den Muuvit-Wochen mit dem Fachunterricht
aus? Kein Problem, erklärt die Lehrerin. Annette Ruopp unterrichtet Mathe,
Musik und Naturkunde, Muuvit findet vor allem in den ersten zehn Minuten oder
auch schon mal zwischendurch statt. „Für den Unterricht ist das überhaupt kein
Verlust, im Gegenteil. Wenn ich den Lernstoff kurz unterbreche und wir ein
Bewegungsspiel machen, dann geht es danach immer besser weiter. Wir verlieren
keine Zeit, weil die Kinder danach merklich schneller arbeiten können. Das hat
mich wirklich überrascht.“ Auch dass die Schüler in der Pause nicht rumstehen,
sondern Fangen spielen, um damit ihr Punktekonto aufzubessern, merkt die
Lehrerin im Unterricht. Und so wirkt die Erkenntnis auch in der Zeit nach
Muuvit weiter: Bekommen die Schüler vom Rechnen, Schreiben und Konzentrieren
einen glasigen Blick, stehen alle mal kurz auf und bewegen sich an der frischen
Luft. Danach kann auch der Kopf wieder. Dank der finanziellen Unterstützung
durch die The
Coca-Cola Foundation wird Muuvit in Deutschland den Lehrkräften als kostenloses
Unterrichtsmittel angeboten. Dabei geht es insbesondere um die Integration von
Kindern mit Migrationshintergrund in das Bewegungsprogramm. Information und kostenlose Anmeldung zu Muuvit hier!
Beispiele und Best-Practices aus Schulen gibt’s hier!Slide show:Slideshow - Muuvit
Muuvit in der Praxis
Kleiner Einsatz,
große Wirkung - Bewegung als Mittel zum Lernen