Wollen wir nicht alle ein bisschen besser werden? Zum Sport gehen. Bewusste Ernährung. Cool bleiben, wenn die Kids durchdrehen. Unsere Autorin nimmt es sich immer wieder vor. Sie will auch einmal alles richtig machen.
Diesmal: Piri räumt sich frei.
HURRA! Geschafft! Endlich! Der Frühling ist bei uns angekommen. Sobald die Sonne an Kraft gewinnt, regt sich ein seltsamer Drang in unserer Ur-Natur: Alles schreit danach, Fenster und Türen aufzureißen, um Licht und Luft in unsere Behausungen zu lassen.
Hören oder lesen? Hier hörst du die Kolumne von Piri Sonnenberg als Podcast:
Im Schrank warten sämtliche, in irrationalen Kaufattacken herbeigeschleppten Objekte auf ihren Einsatz: Marokkanische Lampen, tschechische Kerzenhalter, englische Seifenschalen.
Voller Bewunderung studiere ich als Einschlafhilfe all die Newsletter von dänischen Möbelhäusern und italienischen Design-Websites, bestaune die Perfektion zwischen Mülleimer und Badewanne – und scheitere doch selbst auf das Schönste, dafür aber immer wieder: Ich schaffe es einfach nicht, dass meine Wohnung so aussieht wie die da auf diesen Bildern!
„Nicht einen Tag lang, pah!, nicht mal drei Stunden sieht es bei uns aus wie auf diesen Einrichtungsbildern.“
Und da bin ich: Sobald ich es geschafft habe, eine Ecke mit ihren Türmen und Haufen wieder halbwegs „schön“ zu machen, explodiert es gleich wieder an der nächsten. Es ist ein bisschen so wie bei dem armen Kerl, der den Stein am Berg hinaufrollt, um ihn erneut nach unten sausen zu sehen. Und das nur, damit er mit dem Schieben von vorne anfangen kann. Nicht mal einen Tag lang, pah!, nicht einmal drei Stunden sieht es bei uns aus wie auf diesen Einrichtungsbildern.
Nur Mut, Saustallschwestern und Chaosbrüder! Keine Angst vorm Aussortieren! Behalten wird von jetzt an nur das, was uns wirklich Freude bringt. Alles kann weg. Doch nicht einfach in die Tonne knallen! Weil dies den meisten von uns Riesenhamstern schwerfällt, hat die japanische Zauberfee hier einen Trick: Bevor wir uns von einem Gegenstand verabschieden, danken wir ihm still für seine jahrelangen Dienste. Nicht lachen, machen! So wundersam es auch klingen mag. Dankbarkeit ist der Schlüssel zum Loslassen. Es wirkt!
„Das größte Chaos entsteht ohnehin, weil wir einfach zu viel besitzen. Zuviel Kram, Krempel, Nippes, Tinnef.“
„Audrey Hepburn hatte gegen Ende ihres Lebens nur noch ganz wenige Kleider in ihrem Schrank. Stell dir das mal vor – gerade sie, die Stilikone schlechthin!“ erzählt mir meine Freundin Anja, während ich mit ihr am Telefon, den Tränen nah, meine Kleider durchgehe. „Sie behielt nur noch das, was sie brauchte. Piri, wirf endlich dieses vergilbte Ding da weg!“ Sie meint das T-Shirt, das ich damals, in den Semesterferien, auf unserer Irland-Radtour erstand – und an dem ich mich gerade festkralle.
Den lieben Dingen, die uns wirklich etwas bedeuten, können wir den Raum geben, der ihnen gebührt. Und nun – Simsalabim – zauberhafter Nebeneffekt: Wir streiten uns viel weniger, und auch Kindern fällt es leichter, das Aufräumen und „Zu-Bett-Bringen“ von Spielsachen zu lernen.
Es ist wahr: Unser Zuhause ist der einzige Ort, auf den wir vollkommenen Einfluss haben. Woanders – Arbeit, Schule, Sportstudio, in der Öffentlichkeit – sind wir dem Geschmack von anderen ausgeliefert. Warum also nicht unsere Dankbarkeit für diesen kostbaren Ort ausdrücken, in dem wir ihm Zeit und liebevolle Aufmerksamkeit schenken, ihn pflegen und nicht respektlos zumüllen.
„Die harten Fälle: Muscheln aus dem letzten Urlaub, die Vase von Tante Walli.“
Mit jeder kleinen Entscheidung fühle ich mich um Tonnen leichter. Ich halte nicht mehr so sehr an Dingen fest. Nach der Radikalkur wirkt unsere Wohnung auf einmal größer. Und weil wir nicht so viel putzen müssen, ärgern wir uns nicht mehr so viel. Uns nur mit Dingen zu umgeben, die uns Freude schenken, macht zufrieden und erfüllt uns. Plötzlich haben wir viel mehr Zeit für die wahrhaft schönen Dinge des Lebens.
Wie von Zauberhand entsteht Raum, um zu Lachen und zu Spielen. Es stört nicht mehr, wenn Kinder durch die Bude flitzen, es gibt ja viel weniger, das sie durcheinander bringen oder kaputt machen könnten. Und das Schönste: Durch das „Weniger“ sind wir richtig reich geworden: Viel mehr Platz, viel mehr Zeit, viel mehr Freude in der Hütte.