Nicht nur im Dschungelcamp werden Anfang 2019 wieder Insekten verspeist, auch in Europa dürfen sie seit einigen Monaten als Lebensmittel verkauft werden. Muss daraus gleich eine Mutprobe werden oder revolutionieren die Krabbeltiere unsere Essgewohneiten? Kann man das überhaupt essen? Man kann. Aber wie schmeckt es? Ein Selbstversuch
EINHUNDERT MEHLWÜRMER und Grillen tummeln sich in meinem Warenkorb. Sorgsam aufgezogen in Südfrankreich. 489 Kalorien pro hundert Gramm. Fast eine halbe Stunde hat es gedauert, bis ich mich entschieden habe, ob sie nach Thymian, Curry oder Barbecue schmecken sollen. Die Variante „Garden Party“ flog sofort raus – viel zu unklar, wer hier feiert, das Insekt oder ich. Aber wenn ich ehrlich bin, war es vor allem dieses widerwillige Bauchgefühl, das den Einkaufsprozess so in die Länge zog.
Ich fühle mich ertappt. Seit Wochen käue ich ungefragt Insekten-Infos wider. Die Zukunft der Ernährung. So viel nachhaltiger als Fleischkonsum. Dazu noch fettarm und proteinreich. Selbst bei den kräftezehrenden GroKo-Verhandlungen stärken sich die Abgeordneten mit Insekten-Snacks.
Warum ekeln wir uns? Alles eine Frage der Sozialisation, sagen Experten. Oder zumindest Folge der ungezählten Dschungelcamps. Aber jetzt, wo neben der Mehlwurm-Großfamilie noch weitere Insekten-Snacks bezahlt werden wollen, überfällt mich meine insektenferne Sozialisation. Und ich frage mich, ob ich es wirklich wagen soll, Insekten zu essen.
"Als die Mehlwurm-Großfamilie auf dem Weg ist, überfällt mich meine insektenferne Sozialisation."
„Für den Einstieg die beste Variante: Insekten essen ohne Insekten zu sehen.“
Neugierig reiße ich ein paar Tage später mein Insekten-Paket auf. Der Nervenkitzel verfliegt schnell. Nichts krabbelt aus der Box. Alles sieht ein bisschen kleiner aus als gedacht. So ein Wurm: kaum länger als ein Fingernagel. Im Energieriegel könnte man ihn zwischen Mandeln und Sesam fast übersehen. Herausschmecken kann ich ihn jedenfalls nicht.
Leichte Enttäuschung macht sich nach dem ersten Testlauf breit. Insekten essen, ich hatte es mir aufregender vorgestellt. Die Pasta ist etwas bröselig und schmeckt künstlich. Den Energieriegel könnte ich im Geschmack nicht von einer wurmfreien Variante unterscheiden. Und die hundert Grillen und Würmer? Knusprig, aber ganz schön trocken. Das Glas Wasser brauche ich nicht aus Ekel. Sondern weil mir ein Flügel am Gaumen klebt.
„Wie möchte ich meine Grille? Winterlich mit Zimt und Zucker? Oder frühlingshaft mit frischen Wildkräutern?“
Und da mich der Anblick inzwischen nicht mehr schreckt, steuere ich jetzt den Grillen-Gourmetversand aus München an. Die winterliche Variante mit Zimt und Zucker? Oder frühlingshaft mit frischen Wildkräutern? Schnell entscheide ich mich für die exotisch-fruchtige Variante mit Rosa Pfeffer, die Bestellung ist in weniger als fünf Minuten abgeschlossen. Die Zukunft der Ernährung? Ich bin bereit.